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Deutschlands Russlandpolitik: Eine Geschichte der verpassten Warnzeichen

Neues Buch enthüllt systematische Fehleinschätzungen in der deutschen Russlandpolitik. Geheimdienste warnten früh vor Putins aggressivem Kurs, wurden aber ignoriert.

ParJonas Adler
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Image d'illustration pour: Buch über Russlandpolitik: Alle roten Linien überfahren

Thomas Haldenwang, ehemaliger Verfassungsschutzpräsident, warnte früh vor Putins aggressiver Politik

Die deutsche Russlandpolitik der vergangenen Jahrzehnte war von systematischer Fehleinschätzung und ignorierter Warnungen geprägt, wie das neue Buch "Das Versagen" von Georg Mascolo und Katja Gloger enthüllt. Die Analyse zeigt, wie mehrere Bundesregierungen trotz deutlicher Hinweise auf Putins aggressive Politik an der Hoffnung auf Kooperation festhielten.

Verfassungsschutz warnte früh vor Putins Kurs

Besonders brisant sind die Enthüllungen über vernachlässigte Geheimdiensthinweise nach der Krim-Annexion 2014. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang kritisiert scharf: "Man hätte sehr viel früher scharf reagieren müssen. Alle roten Linien wurden überfahren." Diese systematische Vernachlässigung struktureller Warnsignale zeigt Parallelen zu anderen Bereichen deutscher Politik.

Nawalny-Fall offenbart staatliche Handlungsschwäche

Besonders deutlich wurde die deutsche Zurückhaltung im Fall des Kremlkritikers Alexej Nawalny. Trotz konkreter Bedrohungen während seines Deutschland-Aufenthalts nach der Nowitschok-Vergiftung blieb die Reaktion verhalten - ein Muster, das sich in der deutschen Abhängigkeit von russischer Energie widerspiegelte.

Diplomatische Täuschung und politische Naivität

Die deutsche Spitzendiplomatin Emily Haber fasst die Situation prägnant zusammen: "Alle Indizien sprechen dafür, dass uns Putin sehr früh getäuscht hat." Diese Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit einer stärkeren demokratischen Kontrolle außenpolitischer Entscheidungen.

Kritische Aufarbeitung als Lehre

Wolfgang Ischinger, Vorsitzender des Stiftungsrates der Münchner Sicherheitskonferenz, bezeichnet das Werk als "absolute Muss-Lektüre" für das Verständnis deutscher Außenpolitik. Die Analyse reicht von Putins umjubelter Bundestagsrede 2001 bis zum Angriffskrieg gegen die Ukraine und zeigt die fatalen Folgen politischer Fehleinschätzungen.

Jonas Adler

Reporter in Berlin. Spezialist für Energiepolitik, europäische Fragen und politische Extreme.